Dem Deutschen hat die Freude am Waffenspiel von jeher im Blute gelegen. Schon bei den alten Germanen war es so. Gelangte doch der germanische Jüngling erst durch Überreichung der Waffen in den Besitz seiner Volljährlichkeit. Während der Germane im Kriege sich vornehmlich des Wurfspießes bediente, gebrauchte er auf der Jagt   hauptsächlich Pfeil und Bogen. Zur Zeit des ersten Kreuzzuges, gegen Ende des 11. Jahrhundert, fand eine neue Schußwaffe, die Armbrust Aufnahme, durch die die Schnellkraft des Bogens bedeutend vermehrt wurde. Auch die Erzeugnisse der Waffenschmiede, die schon in den Frühzeiten des Mittelalters einen angesehenen Stand bildeten, trugen wesentlich dazu bei, daß das Schützenwesen seine Keime einsetzen und das es sich dann glänzend entwickeln konnte. Die in folge der Kreuzzüge entstandenen geistlichen Ritterorden ließen sich alsbald die Stiftung von Schützenbruderschaften angelegen sein.

Diese hatte anfänglich einen ausgeprägt religiösen Charakter, was schon daraus hervorgeht, daß sie ihre eigenen Schutzheiligen, Altäre. Fahnen usw. hatten. Der Liblingspatron war der heilige Sebastian. Die Mitglieder der Schützenbruderschaften übten sich täglich im Gebrauch der Waffen, besonders, als später neben der Armbrust auch die Feuerwaffe Verwendung fand. Da auch der Stadtobrigkeit sehr daran gelegen war, gute schützen in ihren Mauern zu haben, sorgte auch sie im Frieden für eine dauernde Übung im Schießen. Als ihre vornehmste Aufgabe betrachteten die Schützen, die Waffen zu gebrauchen zum Schutz und zum Wohle ihrer Mitbürger. Die Stadt zu bewachen und sie bei feindlichen Angriffen zu verteidigen. Nahte ein Feind, dann scharten sie sich auf ein Zeichen der Kirchenglocke geharnischt und bewaffnet um ihr Schützenbanner, schärften ihre Schwerter an den Erdsteinen der Kirchtürme und zogen dann mutig in den Kampf. Durch die ständige Übung im Schießen und von der Pflicht beseelt, im Ernstfall seinen Mann zu stellen, Blut und Leben für die Mitbürger hinzugeben, erfreute sich der Schütze bald allgemeiner Wertschätzung. Das Schützenwesen gelangte zu hohem Ansehen und nahm einen großen Aufschwung. Als aber die bis dahin ziemlich ohnmächtige gewesene Staatsgewalt allmählich erstarte und stehende Heere harangebildet wurden, verloren die Schützengesellschaften nach und nach an Bedeutung. Sie bestanden aber, wenn auch nicht überall, so doch in vielen Städten als private Gesellschaften weiter, ihre alten Traditionen hochhaltend, den Schießsport und auch die Geselligkeit pflegend. Ihre Kunst im Preisschießen zeigend, feierten sie alljährlich und zwar kurz nach Pfingsten ihre Schützenfeste. Wenn der Wonnemonat Mai seine Reize entfaltete, so regt sich allenthalben auch die Schützenluft. Das Maiengrün wurde die symbolische Farbe der Schützen, und so ist noch heute grün die Schützenfarbe. Zur Feier des Schützenfestes zog man hinaus vor die Tore der Stadt und schoß nach Vögeln. Dann mußten lebende Tauben, an manchen Orten auch lebende Gänse herhalten. Da man in dem Schießen nach lebenden Tieren allmälich die Gefühlsroheit erkannte, setzte man einen aus Holz geschnitzten Vogel auf eine lange Stange und schoß dann nach diesem. König wurde der, welcher wie es in einer alten Urkunde heißt, „den letzten Stumpf des hölzernen Ferderviehs herunterschießt“. Das Tragen des sogenannten Königssilbers, bestehend aus einem silbernen Vogel und einzelnen Schildern an einer silbernen Kette kam erst Anfang des 17. Jahrhunderts in Brauch. An den Schießsport und auch an den Schützenfesten beteiligten sich alle Stände und alle gesellschaftlichen Schichten. Selbst weltliche Fürsten und hohe geistliche Würdenträger nahmen daran teil.

Quelle: Von dem Ursprung der Schützengesellschaften von J. Hüttemann